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FRANZ BLANKART ERINNERTE STETS ZU RECHT AN EWR ALS ALTERNATIVE ZU BILATERALEN

ZUM HINSCHIED VON FRANZ BLANKART (27.11.1936 – 17.1.2021), EHEMALIGER EWR-CHEFUNTERHÄNDLER UNSERES LANDES

VON ANDREAS K. WINTERBERGER

Franz André Blankart, ehemaliger EWR-Chefunterhändler unseres Landes, ist am vergangenen Sonntagnachmittag im Alter von 84 Jahren gestorben. Wiederholt erinnerte Blankart auch mehr als ein Jahrzent nach der denkwürdigen – und fatalen! – Ablehnung des Beitritts der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) durch eine hauchdünne Mehrheit des Souveräns im Jahre 1992 daran, dass der EWR auch künftig eine valable Alternative zu weiteren bilateralen Abkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und der Schweiz darstellen könnte. In der Tat bietet bei einer nüchternen Abwägung der Vor- und Nachteile eines Abschlusses eines weitgehend unveränderten, von der EU partiell diktierten bilateralen Rahmenabkommens mit der Schweiz (institutionelle Regelungen!) oder eines neuen Beitrittsgesuchs unseres Landes um eine EWR-Mitgliedschaft mit einer nachfolgenden Volksabstimmung Letzteres in bezug auf eine Minimierung von künftigen potentiellen Streitigkeiten zwischen der EU und der Schweiz gleichermassen wie auch in der Verfolgung schweizerischer Interessen überwiegend Vorteile für beide Seiten. Und entgegen den seit 1992 ständig wiederholten, aber dennoch nach wie vor grundfalschen rechtspopulistischen Behauptungen von Christoph Blocher und dessen danach nach rechtsaussen in die seicht-fiebrigen Gewässer der Xenophobie gewendeten SVP-Entourage, führt ein EWR-Beitritt unseres Landes – wie das Beispiel Norwegen eindrücklich belegt! – keinesfalls die Schweiz zwingend automatisch in die Europäische Union (EU) – im Gegenteil! Dieses Risiko droht demgegenüber massivst am Ende des die Schweiz zwingend in die Sackgasse der wirtschaftlichen wie politischen Isolation führenden, des von der verblocherten SVP einer Fata Morgana gleichsam vertrauenden Irrwegs einer den heutigen globalen wie europäischen Gegebenheiten nicht länger entsprechenden Verabsolutierung nationaler Unabhängigkeit, die es letztlich auch in der Vergangenheit in dieser extrem postulierten Form nie gab.

Studien in Philosophie, Deutsch, Kunstgeschichte, Nationalökonomie und Recht

Franz André Blankart absolvierte das Humanistische Gymnasium in Basel und studierte und doktorierte anschliessend in Philosophie (Karl Jaspers) an der Universität Basel (1964). Weitere Studienfächer waren Deutsch, Kunstgeschichte, Nationalökonomie und Recht unter anderem an der Sorbonne (Paris), der University of Exeter und der Universität Bern. Als Miglied der liberalen Studentenverbindung Zofingia war er von 1964 bis 1965 deren Centralpräsident. Im Jahre 1965 trat Blankart in den dipomatischen Dienst unseres Landes ein, war Botschaftsattaché in Den Haag und anschliessend Privatsekretär der sozialdemokratischen Bundesräte Willy Spühler und Pierre Graber, obwohl er freisinniges Parteimitglied war. Er wirkte für die Schweizer Mission bei der damaligen EWG in Brüssel und war Mitarbeiter von Staatssekretär Paul Jolles bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen Schweiz-EWG (1972), zu dessen Verhandlungsdelegation auch Gerhard Winterberger angehörte, der mit Jolles befreundet war und spätestens danach Blankarts Verhandlungsgeschick in Fragen der schweizerischen Aussenwirtschafts- und Europapolitik sowie dessen hohe intellektuellen und persönlichen Qualitäten wertschätzte. Später leitete der Verstorbene das Integrationsbüro EDA/EVD und wurde schliesslich ein die schweizerischen Interessen erfolgreich und hart vertretender Chefunterhändler bei den EWR-Verhandlungen. Die äusserst knappe Ablehnung eines Beitritts unseres Landes zum Europäischen Wirtschaftsraum durch das Schweizer Volk enttäuschte Blankart zutiefst. Provoziert wurde das Volks-Nein durch das am 20. Mai 1992 zur allgemeinen – auch Blankarts! – Überraschung eingereichte EU-Beitrittsgesuch durch eine knappe Mehrheit des Bundesrats(*).

1988 freiwillige Demission als Chefunterhändler

Anfang Mai 1998 gab Franz André Blankart nach 33 Jahren im Dienste des Bundes aufgrund eines freiwilligen Entschlusses seine Demission auf Ende November bekannt. Der Vorort würdigte damals das wirtschaftsliberale Credo Blankarts: Dieser habe sich stets couragiert für eine konsequente liberale Ordnungspolitik und für offene Grenzen eingesetzt sowie auch für einen freien Marktzugang in Bereichen gekämpft, wo es harsche Widerstände gebe wie beispielweise in der Landwirtschaft.

Nachfolger als Chefunterhändler für die bilateralen Verhandlungen mit der EU nach dem Volksnein zum EWR wurde anschliessend EDA-Staatssekretär Jakob Kellenberger: Rückblickend betrachtet wies dieser in Bezug auf Verhandlungsgeschick im Vergleich zu Blankart beträchtliche Defizite auf.

ANMERKUNG(*):

Wie seinerzeit der damalige FDP-Präsident und Urner Nationalrat Franz Steinegger mir gegenüber einmal im Rahmen eines sich über Jahre erstreckenden regelmässigen Meinungsaustausches mitteilte, der auf das Wendejahr 1989 und die von mir damals propagierte Idee von wechselnden sachpolitischen Koalitionen auf Bundes- und Kantonsebenen nach dem Ende des Kalten Kriegs im Rahmen meiner damaligen Funktion als Leiter der Stelle für Wirtschaft und Politik des Gottlieb Duttweiler Instituts in Rüschlikon ZH zurückzuführen war, wurde der damalige SVP-Bundesrat Adolf Ogi massivst vom damaligen mächtigen Ringier-Lobbyisten und -Publizisten in Bundesbern, Michael Ringiers grauer Eminenz Frank A. Meyer, bearbeitet, ein EU-Beitrittsgesuch der Schweiz im Bundesrat zu unterstützen. In der Folge änderte Ogi seine zuvor ablehnende Meinung, auf eine künftige noch vorteilhaftere (Hof-)Berichterstattung aus dem Hause Ringier hoffend, wodurch die überraschende Bundesratsmehrheit erst zustande kam. Die gegnerische bundesrätliche Minderheit (drei Bundesräte) wurde von den beiden höchst einflussreichen Landesvätern Otto Stich (SPS) und Kaspar Villiger (FDP) angeführt.

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